Erfahrungsberichte zu Einsätzen in Indien

Ladakh - Oktober 08 - März 09

Heiß, überlaufen und kunterbunt. So stellen sich viele Menschen Indien vor, und ich will mich da nicht ausschließen. Das war auch, grob zusammengefasst, der Eindruck, den ich von Neu Delhi hatte. Ich wusste mir also trotz der Fotos, die ich gesehen hatte, kein rechtes Bild zu machen vom Leben in Ladakh, wusste aber wohl, dass es anders sein würde, als die gängige Indienvorstellung.

Secmol Campus ist eine sehr fortschrittliche Einrichtung, die ihren Strom durch Solarenenergie erhält, ein Mülltrennungssystem etabliert hat, sich durch eigene Kühe,  sowie mehrere Beete und Gewächshäuser zum Teil selbst versorgt und deren Schüler den größten Teil der Organisation übernehmen. Secmol nimmt Schüler auf, die die Staatsexamen der Zehnte Klasse nicht bestanden haben, ist aber nicht auf Examensvorbereitung konzentriert, sondern darauf, Allgemeinbildung zu vermitteln und  den Schülern durch guten Englischunterricht den weiteren Bildungsweg zu erleichtern.

 

Schon am ersten Tag ging es los mit dem Konversationsunterricht. Das hatte ich mir so vorgestellt, dass ich, wie das in den meisten mir bekannten Schulen üblich ist, als Lehrer vorne stehen würde und versuchen würde, den an Tischen und Bänken platzierten Schülern ein selbst gewähltes Thema nahe zu bringen. Es war dann eine angenehme Überraschung, dass alle Freiwilligen sich in der „big hall“, dem größten Unterrichtsraum, in einen Kreis auf den Boden setzten und darauf warteten, dass sich die Ladakhis um jeden einzelnen herum gruppieren würden. Becky, die Englischlehrerin und Freiwilligenkoordinatorin, gab dann das Konversationsthema vor und alle zehn Minuten wechselten die Freiwilligen die Schülergruppe. So konnte man schnell viele der Schüler kennen lernen und auch für diese ist es vorteilhaft, über ein Thema mit mehreren Freiwilligen zu reden und  sich somit notwendiges Vokabular durch Wiederholung schneller einzuprägen.

Am Anfang war mein Tag nicht gerade prall gefüllt – eine Stunde Konversation, eine Stunde Karateunterricht, und am Morgen eine Stunde „work hour“. Da wurde zusammen mit allen Schülern gemacht, was gerade anfiel – neue Erde für die  Beete holen, Steine für Bauarbeiten von einem Platz  an einen anderen bewegen oder die Plastikplanen, die im Winter zusammen mit der Sonne einen Ofen ersetzten, vom Dach aus herunterrollen und befestigen. Mit offenen Augen und Ohren und ein wenig Nachfragen hier und dort, wurde mein Stundenplan jedoch nach einiger Zeit voller: Ich fing an, beim Computerunterricht zu helfen und nach und nach kamen einige Schüler mit der Bitte auf mich zu, ihnen individuell in Fächern wie Englisch, Business und Chemie zu helfen. Im Winter kam noch Arbeit in der Bücherei dazu, wo es zum einen galt, Ordnung beizubehalten und zum anderen, die Bücher Kategorien zuzuordnen, Listen zu erstellen und diese zu digitalisieren. Auch Ideen aus Eigeninitiative sind immer willkommen und man räumt ihnen im Stundenplan der Schüler gerne Platz ein; eigene Neigungen und Interessen, wie bei mir das Karate, können also durchaus mit eingebracht werden.

 

Jeden Abend gab es eine andere Aktivität wie Singen und Tanzen, einen Englischen oder Ladakhischen Film Schauen oder manchmal lernte jeder für sich. Ein Tag in der Woche war frei und meistens nutzte ich diese Gelegenheit, um durch eine Fahrt in die Regionshauptstadt Leh den Kontakt mit meinen Freunden und Verwandten zu pflegen. Der Abend dieses Tages war immer besonders weil alle zusammen das Abendessen zubereiteten: Momos, kleine Teigtaschen mit Gemüsefüllung.   


Das Alltagsleben, geprägt vom Waschen der Kleider per Hand, Trockentoiletten und strukturellen Kommunikationsschwierigkeiten bot kleinere Hürden oder eher Neuheiten auf, die ich ohne weiteres überwinden konnte; und sollte einmal wirklich Hilfe gebraucht werden, ist der Campus voll von ca. 50 hilfreichen und herzlichen Ladakhis.


Nach den anfänglichen Schwierigkeiten, meinen Platz als Freiwillige zu finden, kann ich den Aufenthalt in Ladakh als eine sehr wichtige Erfahrung und Bereicherung in meinem Leben bezeichnen, in der es nicht nur darum ging, zu helfen, sondern auch zu lernen. Ich würde dieselbe Entscheidung wieder treffen, und wer weiß, vielleicht führt mein Weg ja noch einmal nach Indien und Ladakh.


Laura

Centre für Tribal und Rural Development Trust, Tamil Nadu 2012/2013

Abschlussbericht_Indienaufenthalt.pdf

Frauenprojekt - August 08 - März 09

Wenn ich meine Augen schließe und an meine Zeit in Indien zurückdenke, verliere ich mich immer wieder in den unzähligen Erinnerungen, die meinen Aufenthalt dort so einzigartig gemacht haben. Ich weiß zum Beispiel noch genau wie es war als ich mich Anfang August zum ersten Mal auf den Weg von Jodhpur, wo ich meine ersten Tage verbracht hatte, nach Setrawa gemacht habe. 103 Kilometer trennten mich in diesem Moment noch von meinem neuen Zuhause, in dem ich die nächsten sieben Monate verbringen wollte. Noch 103 Kilometer, dann sollte ich endlich da sein!


Setrawa ist ein echt indisches Dorf im Westen Rajasthans, inmitten der Wüste Thar in Nordindien. Etwa 3000 Menschen leben hier unter den einfachsten Bedingungen, die sich die meisten Westler wohl kaum vorzustellen vermögen.

Unser Jeep fuhr den Highway, der Jodhpur mit Setrawa verbindet, im Schneckentempo entlang, vorbei an unzähligen Chai-Shops und urigen kleinen Geschäften. Immer wieder wurden wir von den typisch indischen Lokalbussen, die von den vielen Menschen schon fast zu platzen drohen, überholt und angehupt. Indische Bollywoodmusik dröhnte aus dem Radio und unser Fahrer sang bei jedem Song mit. Er konnte alle auswendig!

Als wir nach zwei Stunden endlich am Schulgebäude ankamen, strömten mir dutzende kleiner Mädchen entgegen, die mich freudig umsprangen. Meine Unsicherheit war verflogen und sofort fühlte ich mich angenommen.

 

Nach Indien wollte ich schon immer. 2007 habe ich an einem 4-wöchigen Workcamp in Tamil Nadu teilgenommen. Am meisten hatte mich damals die Gastfreundlichkeit der Inder fasziniert: beim Laufen durch die Straßen wurden wir von allen Seiten begrüßt und zum Essen eingeladen. Obwohl diese Menschen fast keinen Besitz hatten, konnte man so viel Stolz für ihr Heim und ihre Kultur aus ihren Augen lesen. Ich wollte unbedingt wieder nach Indien, diesmal für eine längere Zeit. Da erschien es perfekt, nach dem Abitur ein Jahr Pause zu machen und die gewonnene Zeit für einen Freiwilligendienst zu nutzen.


Das Projekt  für das ich arbeiten sollte hat zum Ziel den Mädchen und Frauen, die am Projekt teilnehmen, eine grundlegende Ausbildung zu ermöglichen, ihr Selbstbewusstsein und ihre Unabhängigkeit zu stärken und ihnen eine Stimme in der rajasthanischen Gesellschaft zu geben. Es ist auf Frauen spezialisiert, die der „untouchable“ Kaste angehören. Die Untouchables (zu Deutsch Unberührbare) machen ein Viertel der indischen Bevölkerung aus und befinden sich am untersten Ende der Gesellschaft.


Das Projekt hat etwa 60 Teilnehmerinnen im Alter von 4 bis 19 Jahren, die regelmäßig nach dem normalen Schulbesuch zur Verbesserung ihrer Kenntnisse das Projekt besuchen, und eine fest angestellte lokale Lehrerin, Rekha. Um vieles kümmert sich auch Govind, der Chef des Ganzen. Bei Fragen und Problemen ist er immer erreichbar.

Sofort zeigte man mir die Wohnräume, die sich mit im Schulgebäude befinden. Für Freiwillige gibt es eine Küche und einen Schlafraum, beides ausreichend eingerichtet; die Toilette und das Bad befinden sich etwas außerhalb. Es gibt nur kaltes Wasser, aber das sollte wohl bei einer Temperatur von gefühlten 50°C kein Problem sein.  Auf Luxus sollte ich die nächsten sieben Monate komplett verzichten, aber so gab es einen Unterschied weniger zwischen mir und den Einheimischen.


In den acht Monaten habe ich viele Freunde gefunden. Oft wurde ich abends von den Familien der Mädchen zum Essen eingeladen oder auch zum Tee am Nachmittag („You my house come“ war der Satz, den ich täglich hörte). Überhaupt hieß es oft essen, essen, essen… Wer die indische Küche mag, sollte sich auf ein paar Kilos mehr gefasst machen. In Indien sitzt man beim Essen im Schneidersitz auf dem Boden, überhaupt läuft hier vieles unkomplizierter ab als in Deutschland.


In einem Schulgebäude zu wohnen war nicht immer ganz einfach, da die Mädchen mich oft zu Zeiten besuchen kamen, an denen kein Unterricht stattfand. Folglich haben Freiwillige nur eine sehr eingeschränkte Privatsphäre, aber das ist wohl typisch indisch.

Ich konnte mich schnell einleben und meinen eigenen Tagesablauf gestalten. Ich versuchte morgens so früh wie möglich aufzustehen, um der Hitze wenigstens für ein paar Momente zu entkommen. Zum Frühstück gab es Cornflakes (die kaufte ich am Wochenende in Jodhpur) mit frischer Milch von der Kuh des Nachbarn. Als Freiwilliger muss man sich in Setrawa selbst versorgen, jedoch sind die Lebenshaltungskosten sehr niedrig (Freiwillige bezahlen zusätzliche 50 Euro im Monat für ihre Unterkunft). Im Dorf gibt es Mineralwasser, Gemüse, Obst, Eier und Gewürze zu kaufen sowie alle Zutaten, um die typisch indischen Chapatis zu machen.


Hier ein kleiner Blick in den täglichen Stundenplan:

Von 11 bis 13 Uhr fand für Nichtschulkinder und ältere Frauen eine Sewing class statt, in der die Mädchen Nähen und das Anfertigen einfacher Handarbeiten erlernten. Rekha hat das Nähen unterrichtet und ich habe mit den Kleinen einfache Bastelarbeiten gemacht.

Von 15 bis 16 Uhr fand einfaches Englisch für drei Mädchen statt. Laxmi, Guddi und Maya sind Geschwister. Die drei gingen nicht in die Schule und haben zudem einen schwierigen Familienhaushalt. Die Mutter hat 10 Kinder, das elfte ist unterwegs. Der Vater ist Alkoholiker und ohne Arbeit. Um den Dreien Abwechslung aus ihrem Alltag sowie eine einfache Ausbildung zu gewähren, fand diese private Extraklasse statt.

Von 17 bis 18.30 Uhr fand fortgeschrittenes Englisch für die Schulmädchen statt, die wichtigste Klasse des Tages. Die Mädchen haben Schulunterricht bis halb 5 und kommen direkt danach zur uns. Um dem Unterricht eine gewisse Ordnung zu geben, habe ich jeden Tag mit der Frage „What day is it today?“,  begonnen und zusätzlich haben wir jeden Donnerstag einen Test geschrieben. Das Englisch der Mädchen ist sehr einfach. Besonders schwierig für sie ist es längere Unterhaltungen zu führen oder freie Texte zu schreiben. Trotzdem sind fast alle Mädchen extrem lernwillig und besitzen zudem eine schnelle Auffassungsgabe, sodass das Unterrichten sehr viel Spaß gemacht hat! Schule ist von Montag bis Freitag.

           

Wenn die Klassenzahl der 5 Uhr Klasse sehr groß war, haben Rekha und ich die Klasse in Anfänger und Fortgeschrittene aufgeteilt. Ansonsten half Rekha meinen Unterricht in Hindi zu übersetzen, sodass das Thema auch von den Kleinsten verstanden werden konnte. Auch in ihrer Freizeit war Rekha mir eine große Hilfe: Sie zeigte mir, wo man was im Dorf kaufen kann (kaum zu glauben, aber es schien hier fast alles zu geben!) und hat mich den Ladeninhabern vorgestellt. Außerdem hat sie mir gezeigt wie man die wichtigsten indischen Gerichte kocht.

 

Die Wochenenden standen uns zur freien Verfügung. Wir haben die Zeit meistens zum Reisen genutzt oder zum Entspannen in Jodhpur. Spannend war es auch, die  anderen Freiwilligen zu treffen und sich mit ihnen auszutauschen.


Nach Jodhpur kommt man ganz einfach mit dem Bus. Dieser fährt Tag und Nacht die Strecke Setrawa-Jodhpur und umgekehrt. Wegen der medizinischen Versorgung braucht man sich im Dorf keine Sorgen zu machen. Es gibt ausreichend Apotheken und ein Krankenhaus (allerdings nicht nach westlichem Standard).

 

Das Gefühl, das Dorf und die Mädchen verlassen zu haben, kann ich nicht beschreiben, aber es macht mich auf jeden Fall sehr traurig! Nach einer so langen Zeit sind wir alle sehr eng zusammen gewachsen und gute Freunde geworden. Künftige Freiwillige sollten wissen, dass das Leben in Setrawa sehr einfach ist, was es jedoch umso spannender macht. Für mich war es wichtig, noch eine zweite Freiwillige dabei zu haben, mit der ich über die Ereignisse reden konnte. Ich denke, dass man alleine dort schnell überfordert sein kann. Im Projekt gibt es Internet, welches aber nicht regelmäßig funktioniert. Mit meiner Familie in Deutschland konnte ich über Handy Kontakt halten, was mit einer indischen Prepaid Karte sehr günstig war.

Meine Zeit in Indien werde ich nie vergessen, zu viel habe ich dort erlebt. „Bitte komm bald wieder!“ haben mir die Mädchen noch zu gerufen, als ich an meinem letzten Tag  in den Jeep gestiegen bin.


Helen

Copyright 2012 Nothelfergemeinschaft der Freunde e.V.
 

Alle Angaben sind ohne Gewähr, da wir von den ausländischen Partnerorganisationen und der politischen Lage im Partnerland abhängig sind.
 
Stand 2012