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Für ein Kinderlachen

Gleich bei meiner Ankunft in Santa Cruz de la Sierra wurde ich sehr herzlich in Empfang genommen. Die Schwestern haben mich persönlich am Flughafen abgeholt und die Kinder haben mir extra Plakate zur Begrüßung gemalt, da ich spät abends angekommen bin und sie nicht mit zum Abholen kommen durften. Am nächsten Tag durfte ich dann endlich die Kinder kennen lernen, sie sind gleich alle begeistert hergekommen, da sie die Voluntarios im Heim vermisst haben. Normalerweise waren immer mehrere Voluntarios gleichzeitig da, aber bei meiner Ankunft war ich erst mal die einzige Freiwillige und umso größer war die Freude und Dankbarkeit, dass endlich wieder jemand gekommen ist. Bei der offiziellen Begrüßung sind dann noch mal alle Kinder Häuserweise auf mich zugestürmt und ich wurde nur so mit Küsschen überhäuft. Auch Hermana Blanca, die Leiterin des Heimes, hat rührend darauf geachtet, dass ich mich wohl fühle und genug zu essen habe. Am Anfang war ich noch etwas zögerlich was meinen Mut anging, das Fleisch zu probieren und so meinte sie immer, „poco a poco te vas a acostumbrar a la comida boliviana“. Damit sollte sie auch Recht behalten, nach und nach habe ich mich an das Essen im Heim gewöhnt. Das Essen besteht hauptsächlich aus Reis, dazu gibt es ein wenig Fleisch, Salat fehlt leider meistens ganz. Alternativ gibt es Sopa de Mani, die Fleischeinlage besteht darin meist aus Hühnerköpfen und - füßen. Zusätzlich zu den Mahlzeiten bekommen die Kinder vormittags und nachmittags noch Merienda, eine kleine Zwischenmahlzeit, häufig Milch mit Reis oder Hafer, süßer Tee, manchmal aber auch eine Mango oder Banane.

 

Zu meiner Zeit waren drei Schwestern im Heim, die alle sehr hilfsbereit und freundlich waren, wobei man bei der täglichen Arbeit im Heim wenig mit ihnen zu tun hat. Man kann sich aber jederzeit an die Hermanas wenden. Neben Hermana Blanca gibt es auch noch Hermana Clementina und Hermana Joleida in dem Heim. Hermana Clementina hilft immer mal wieder in der Küche mit und Hermana Joleida verwaltet das Deposito mit Kleidern für die Kinder oder übernimmt die Fahrdienste, wenn ein Kind ins Krankenhaus muss.

 

Der Hogar de la Esperanza wurde gegründet, um Kindern ein zu Hause bieten zu können, deren Eltern im Gefängnis sitzen. Leider werden die Kinder im Gefängnis häufig als Drogenkuriere missbraucht, da es für sie einfacher ist, die Gefängnismauern zu passieren. Im Heim sind die Kinder abhängig von Alter und Geschlecht in verschiedenen Häusern untergebracht. Jedes Haus hat seine Encargada, seine Hausmutter, die sich sowohl darum kümmert, dass die Kinder gewaschen und angezogen werden als auch dass die Casita täglich geputzt wird. Es gibt die Casitas: Bebes (0 – 4 Jahre), Maria Reyna (Mädchen, 4 – 6 Jahre), Nina Maria y Maria Goretty (Mädchen, 7 – 11 Jahre), Madre Antonio y nuestra Senora Merced (Mädchen, 12 – 14 Jahre), Divino Nino (Jungs, 4 – 6 Jahre) und Cristo Rey (Jungs, 7 –11 Jahre).

 

Als ich im Hogar ankam, waren gerade Ferien und so hatte ich die Gelegenheit gleich sehr viel Zeit mit den Kindern mit Spielen und anderen Aktivitäten zu verbringen. Leider war ich die ersten Monate die einzige Freiwillige und so war ich für alle Häuser zuständig. Das war zum einen sehr anstrengend, zugleich aber auch wunderschön, da ich so mit allen Kindern intensiv Zeit verbringen konnte. Ich habe mir selbstständig einen Plan gemacht, nach welchem ich jeden Tag in einem anderen Haus war, damit ich mit allen Kindern etwas unternehmen konnte. Die Kinder kamen auch immer gleich an und haben gefragt, wann ich denn wieder zu ihnen komme. Je nachdem in welchem Haus ich war, habe ich mir unterschiedliche Aktivitäten überlegt. Die kleineren Kinder haben es geliebt Memory zu spielen, zu malen und besonders die Jungs wollten immer gerne Flieger oder Himmel oder Hölle basteln. Die Mädels und Jungs ab sieben Jahren hätten am liebsten jeden Tag Freundschaftsarmbänder geknüpft, davon konnten sie überhaupt nie genug bekommen, genauso wie von Perlenarmbändern oder Perlentieren. Viele der Mädels und auch einige der Jungs haben begeistert gehäkelt. Mit den größeren Mädels von Merced habe ich regelmäßig Sport gemacht oder auch mal mit ihnen Englisch gelernt, da sie hier in der Schule kein Englisch lernen. Zu Beginn waren die größeren Mädels von Merced meist schwer zu motivieren, erstaunlicherweise haben sie mich dann aber danach gefragt, ob wir das nächste Mal beim Sport noch mehr Übungen machen können oder mir von ihrem Muskelkater berichtet, weil sie gleich am nächsten Tag die Übungen noch mal alleine gemacht haben.

 

Viele der Aktivitäten wurden dadurch erschwert, dass natürlich auch immer die Kinder aus den anderen Häusern ankamen und mitmachen wollten, was häufig in einem Streit um die Spielsachen eskaliert ist. Viele der Kinder - vor allem die kleineren Jungs aus Divino Nino - haben nicht gelernt, sich zu artikulieren wenn ihnen etwas nicht passt, sondern schlagen lieber gleich zu. Das hat manche Spielidee und Aktivität erschwert bis gar unmöglich gemacht, insbesondere da sich die Hausmütter meist verzogen haben wenn ich kam und mir die Kinder überlassen haben. Allerdings gab es auch Hausmütter, die deutlich engagierter waren und auch selbst gerne Armbänder mitgeknüpft haben. Andere Hausmütter wiederum, haben es sich sehr einfach mit den Kindern gemacht haben, wenn ich nicht in ihrem Haus war und die Kinder einfach mit Hilfe des Fernsehers betäubt, anstatt sie zum Spielen zu animieren oder mit ihnen in den Park zu gehen. Der Großteil dieser weniger motivierten Hausmütter hat dann auch innerhalb von zwei Monaten das Handtuch hingeworfen. Ich fand es immer sehr frustrierend, wenn ich morgens in ein Haus kam und schon der Fernseher lief. Abgesehen davon, war es eine wunderbare Zeit; die viele Zeit, die ich zum Spielen mit den Kindern in den Ferien hatte, habe ich dann während der Schulzeit sehr vermisst.

 

Umso näher Weihnachten gerückt ist, umso ruhiger ist es im Heim geworden, da viele Kinder über Weihnachten zu ihren Eltern ins Gefängnis oder zu Verwandten sind. Leider wurden in dieser Zeit auch viele Kinder, die aufgrund sozialer Probleme in dem Heim waren, in andere Heime verlegt ohne dass ich mich von den Kindern verabschieden konnte. Das hat mir sehr wehgetan, da mir die Kinder schon sehr ans Herz gewachsen waren, auch wenn ich verstehe, dass das Heim sich wieder auf seine Grundidee besinnen möchte als Heim für Kinder aus dem Gefängnis Palmasol.

 

Im Januar ging es dann wieder deutlich turbulenter zu als über 50 neue Kinder aus dem Gefängnis aufgenommen wurden. Die Eingewöhnungsphase mit den Kindern war sehr chaotisch, da zeitgleich auch viele neue Encargadas angefangen haben, ohne dass man diese über den Tagesablauf, etc. aufgeklärt hat. Zudem sind immer wieder einige der größeren Jungs über den Zaun aus dem Heim ausgebüchst. Der neue Wächter im Heim war darüber ganz verzweifelt, während Hermana Clementina das ganz gelassen nahm. Sie meinte nur wohl wissend, dass die Jungs bis abends schon wieder zurückkommen und dass das zu Beginn normal ist und sich in zwei bis drei Wochen schon legen würde. Und damit hat sie dann auch Recht behalten.

 

Anfang Februar ging die Schule wieder los, die sich außerhalb des Heimes befindet, so dass die Kinder ab ca. sechs Jahren morgens nicht im Heim waren. Allerdings ist die Schule sehr häufig ausgefallen ohne dass der Grund dafür klar war. Die jüngeren Kinder werden innerhalb des Heimes gefördert und sind eingeteilt in Nidito (3 – 4 jährige Kinder) und Pre-Kinder (4 -5 jährige Kinder). Die Förderung ist allerdings sehr unterschiedlich. Ich selbst habe während der Schulzeit in Pre-Kinder mitgeholfen. Leider ist die zuständige Lehrerin dort häufig für mehrere Stunden abgehauen und hat mich mit den Kindern alleine gelassen. In dieser Situation war es deutlich schwerer die Kinder über längere Zeit zu Bastel- oder Malarbeiten zu animieren oder auch einzelne Kinder zu fördern, da ich hauptsächlich damit beschäftigt war, die Raufbolde auseinander zu halten. Solche Situationen wie in meinem Fall mit der Lehrerin können immer mal wieder auftreten, wichtig ist einfach nur, immer wieder die Situation ansprechen, damit es zumindest ein wenig besser wird. In meinem Fall hat sie mir dann zumindest immer Bescheid gegeben bevor sie gegangen ist, hat mir den Schlüssel gegeben, so dass ich auch an die Materialien rangekommen bin und ist dann wenigstens für ein bis zwei Stunden geblieben bevor sie gegangen ist. Das war ein Kompromiss mit dem ich dann gut leben konnte. Hier muss man sich einfach trauen, Missstände auch mehrmals anzusprechen und Geduld haben, bis sich etwas verbessert.

 

Am Nachmittag haben alle Schulkinder zusätzliche Aufgaben zu ihren Schulaufgaben bekommen, um sie im Rechnen und Schreiben zu fördern. Dies ist auch dringend nötig, da viele Kinder in der Schule trotz großer Schwächen versetzt werden. Zudem gibt es einige Kinder, die noch nie eine Schule besucht haben bevor sie in das Heim kamen und daher weder lesen noch schreiben können. Es finden sich deshalb durchaus einige der ältern Kinder gemeinsam in einer Klassenstufe mit den Jüngeren. Bei der Hausaufgabenbetreuung wird Hilfe besonders benötigt, da die meisten Kinder Schwierigkeiten haben sich zu konzentrieren und teilweise sehr große Wissenslücken aufweisen. Sehr positiv fand ich, dass Wert darauf gelegt wurde, dass die Hausmütter mithelfen und die Kinder bei den Aufgaben unterstützen. Ich habe in der Primero mitgeholfen und es war teilweise sehr zäh und nervenaufreibend, weil die meisten Kinder starken Zuspruch benötigen um dann in einer halben Stunde eine Zeile mit Buchstaben zu schreiben. Es macht aber auch viel Freude, wenn es einem gelingt, ein Kind zu motivieren, welches dann besonders gut arbeitet und vor allem wenn man beobachten kann, welche Fortschritte einzelne Kinder machen.

 

Meine Zeit im Hogar de la Esperanza habe ich sehr genossen und ich bin sehr dankbar und glücklich darüber, dass ich diese Zeit hier mit den Kindern erleben durfte. Es ist ein unglaublich beglückendes Gefühl zu erfahren, mit wie offenen Armen ich hier empfangen worden bin und wie dankbar die Kinder als auch die Hermanas und die Hausmütter dafür waren, dass ich meine Zeit mit Ihnen geteilt habe. Das hat mich auch schnell die eine oder andere frustrierende Situation vergessen lassen. Besonders schön ist es zu erleben, dass die Kinder gleich zu einem angerannt kommen und strahlen, weil sie sich freuen, dass man kommt und Zeit für sie hat. Glücklich war ich auch immer, wenn es mir gelungen ist, das Vertrauen eines schüchternen, stilleren Kindes zu gewinnen und es dann auch von selbst auf mich zugekommen ist. Leider gibt es viel zu wenig Hausmütter hier und zu meiner Zeit leider auch zu wenige Freiwillige, so dass die Kinder viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommen und teilweise mit kleinen Kunststückchen richtig um meine Aufmerksamkeit gebuhlt haben. Die Kinder genießen die Momente, die sie mit den Freiwilligen alleine haben und wollen einfach nur in Arm oder auf den Schoss genommen werden und ein wenig kuscheln.

Leider wurden manche Aktivitäten mit den Kindern dadurch erschwert, dass viele Kinder schnell zuschlagen, da sie nicht gelernt haben sich zu artikulieren und ihr Missgefallen zu kommunizieren. Beispielsweise wollte mir ein kleiner vierjähriger Junge helfen, in dem er die anderen Kinder geschlagen hat, wenn sie nicht auf mich gehört haben. Viele Kinder kommen aus sehr schwierigen Verhältnissen und haben selbst viel Gewalt erfahren. Manche Einzelschicksale, von denen ich gehört oder die ich teilweise auch miterlebt habe, konnte ich selbst nur schwer verarbeiten. Doch trotz vieler schwerer, unvorstellbarer Schicksale, die die Kinder erlebt haben, sind sie meist fröhlich und ausgelassen. Es gibt aber auch Kinder, die ruhige, traurige Momente haben. Trotz allem haben sie nicht verlernt zu lachen und sich an kleinen Dingen zu freuen.

 

Ich kann nur jedem empfehlen, seine Zeit hier mit den Kindern zu teilen - ein Kinderlachen ist der schönste Lohn für die Arbeit.

 

Dorothee 2013

Hogar de la Esperanza

Hogar de Esperanza, bebes

Bei meiner Ankunft wurde das Heim von 4 Ordensschwestern geleitet. Das Heim beherbergt ca 150 Kinder, zum Teil Waisenkinder, hauptsächlicher aber Kinder, deren Eltern im Gefängnis sitzen.

 

In dem Heim leben Kinder von 0-16 Jahre, die nach Alter und Geschlecht auf  7 Häuser aufgeteilt sind: „Bebe 1“ (0-2 Jahre), „Bebe 2“ (2-4 Jahre), „Maria Reyna“ (Mädchen 4 - ca 7 Jahre), „Divino Nino“ (Jungs  4 - ca 7 Jahre), „Corretti“ (Mädchen 7-13 Jahre), „Cristo Rey“ (Jungs 7-13 Jahre), „Madre Antonia“ (Mädchen 13-16 Jahre). 

 

In der Zeit von September 2011 bis März 2012 fanden einige Umstrukturierungen, was die Leitung betrifft, statt. Die 4 Ordensschwestern die zu Anfang das Heim geleitet haben, sind gegangen und wurden durch 4 neue Schwestern ersetzt, die allerdings vor vielen Jahren bereits in diesem Heim gearbeitet haben. 

 

Meine Arbeit

 

Erster und zweiter Monat

 

Die ersten zwei Monate (von Mitte September bis Mitte November ) waren wir noch nicht auf die Häuser aufgeteilt, das bedeutet, wir hatten keine feste Gruppe mit der wir zusammen arbeiten konnten. Vormittags (von 8:15 – 11:30 Uhr) habe ich mit einer weiteren Freiwilligen bei den Babies gearbeitet. Das Babyhaus ist  nach Alter aufgeteilt in „bebe 1“ (0-2 Jahre) und „bebe 2“ (2-4 Jahre). Ich habe die Erzieherin bei ihrer Arbeit mit „bebe 1“ unterstützt.

 

Die Arbeit mit den Babies hat mir sehr gefallen, auch wenn es oftmals sehr anstrengend und nervenaufreibend war. Man hat sehr schnell gemerkt, wie sehr die Hausmütter auf zusätzliche Hilfe angewiesen waren, denn für eine Person ist dieser Tagesablauf mit bis zu 15 Babies nicht umsetzbar. Leider hatte man nicht die Zeit sich intensiv mit jedem Baby zu beschäftigen, was ich sehr schade finde. Es fängt schon bei den Mahlzeiten an: Da jedes Kind gefüttert werden muss, muss dieser Prozess sehr schnell durchgeführt werden, genauso wie das Waschen und Umziehen. Da die Erzieherinnen zudem auf vollste Unterstützung angewiesen sind, bleibt nicht viel Zeit für große Unternehmungen. Trotzdem habe ich mich jeden Morgen als ich aufwachte auf meine Arbeit gefreut, da man weiß wie sehr sich die Babies auch auf einen freuen. Es hat mich immer wieder berührt, in die lächelnden Gesichter zu blicken als ich morgens den Raum betreten habe!

 

Am Nachmittag (von 14-18 Uhr) habe ich die etwas größeren Heimkindern (zwischen 7 und 14 Jahren) bei den Hausaufgaben unterstützt und Nachhilfe erteilt. Im Anschluss, wenn noch Zeit blieb, habe ich mit den Kindern gespielt (zumeist Fußball oder andere Sportarten). Die meiste Hilfe wurde vor Allem in Mathe und in Spanisch benötigt. Zum größten Teil habe ich mit den Zweitklässlern zusammen gearbeitet, da diese am meisten Hilfe benötigten. Da die Klassen sehr überfüllt sind ( ab dem sechsten Lebensjahr gehen die Kinder außerhalb zur Schule), hat die Lehrerin nicht die Möglichkeit, intensiv auf einzelne Kinder einzugehen. Somit müssen gewisse Grundlagen in der Nachhilfezeit noch mal aufgearbeitet werden (z.B. Multiplikation, Division usw. , das Alfabeth, Rechtschreibung…) Da die Kinder leider trotz erheblicher Defizite versetzt werden, musste ich oftmals mit einzelnen Kindern Extraaufgaben bearbeiten, um die Grundlagen aufzuarbeiten.

 

Mir persönlich hat es mehr Spass und Freude bereitet, mit den Kindern zu spielen als mich wie eine Lehrerin vor sie zu stellen, da die Kinder in den „Voluntarios“ eher einen Freund als einen Erzieher sehen sollte. Trotzdem war auch dort die Hilfe sehr notwendig. Was mir sehr schnell und  stark aufgefallen ist, war, dass die Kinder sehr viel wert darauf legten, die Hausübungen fertig zu bringen. Allerdings nicht um sich dadurch zu verbessern, sondern um Ärger mit der Lehrerin zu vermeiden. Dadurch wurde oftmals bei Mitschülern abgeschrieben, wodurch gewisse Kenntnisse auf der Strecke blieben. Ich habe mit vielen Kindern gearbeitet, die in der dritten Klasse waren und noch nicht das Alphabet  beherrschten. Zudem sind die Art der Hausübungen meiner Ansicht nach zu  unkreativ. Dadurch, dass die Kinder Texte nur abschreiben müssen, wird die Kreativität nicht gefördert. Trotzdem habe ich mich über jeden kleinen Fortschritt jedes Einzelnen sehr gefreut, und habe viele Kinder erlebt die mit großem Interesse bei der Sache waren.

 

Dritter, vierter fünfter Monat

 

Nach dem zweiten Monat endlich wurden wir auf die Häuser aufgeteilt. Da es 7 Häuser gibt und wir sieben Freiwillige waren , hatte jedes Haus eine Freiwillige. Durch ein Auslosungsverfahren bin ich zu den älteren Jungs („Cristo Rey“) gekommen( im Alter von 6-13 Jahre) Da die Kinder in dieser Zeit 2 Monate Ferien hatten, hatte ich sehr viel Zeit mich intensiv mit den Kindern zu beschäftigen. Ich habe mit der Hausmutter zusammen einen Wochenplan erstellt um ein bisschen Struktur in die schulfreie Zeit zu bekommen.

 

Die Zeit mit den „Cristo Rey“ Jungs hat mir am meisten Spass gemacht . Da man viel Zeit hat, sich mit den Jungs auch teilweise einzeln zu beschäftigen und zu unterhalten, hatte man die Chance, schnell das Vertrauen der Kinder zu erlangen und ihnen somit bei Kummer besser und schneller helfen zu können. Die Hausmutter hat meist  nicht die Zeit auf die Jungs einzugehen, da sie den ganzen Tag damit beschäftigt ist, den Ablauf für ca 25 Kinder einzuhalten ( Mahlzeiten, waschen , sauber machen usw.). Somit ist es für die Kinder sehr wichtig, eine vertrauenswürdige Ansprechpartnerin zu haben, und das sind in diesem Fall die Freiwilligen.

Insbesondere die Vorweihnachtszeit war sehr harmonisch. Ich hatte mit den Jungs sehr viel Spass, alle waren mit großer Freude dabei und haben super mitgearbeitet.

Trotz einiger Wut und Gewaltausbrüche, hatten wir eine wunderschöne Zeit zusammen und die Jungs sind mir sehr ans Herz gewachsen.

 

Sechster Monat

 

Nach drei Monaten haben wir dann die Häuser gewechselt. Ich habe meinen letzten Monat mit den großen Mädchen „Corretti“ (6-13 Jahre) zusammengearbeitet. Da in dieser Zeit keine Ferien mehr waren, hatte ich nicht die Chance viele Aktivitäten durchzuführen. Diese Zeit war zudem sehr chaotisch, da einige Mädchen keinen Schulplatz bekommen haben, einige konnten nur vormittags zur Schule, Einige nur nachmittags gehen. Somit habe ich teilweise wieder Nachhilfe erteilt, und den Rest des Tages mit den Mädchen beispielsweise Armbänder gemacht.

 

Natürlich ist es nicht möglich innerhalb von einem Monat alle Mädchen gut kennen zu lernen und sich mit Einzelnen verstärkt zu beschäftigen. Trotzdem habe ich die Mädchen sehr lieb gewonnen, da sie sehr offen und herzlich waren, mich stets mit Respekt behandelt haben und trotzdem in mir eine gute Freundin gesehen haben.

 

Resümee

 

Das halbe Jahr im „Hogar de la Esperanza“ hat mein Leben sehr bereichert und ich werde diese Zeit niemals vergessen. Selbstverständlicherweise haben wir nicht nur Positives gesehen und erlebt. Es gab beispielsweise viele Konflikte mit den ersten Ordensschwestern, die meiner Meinung nach sehr undankbar waren, oftmals nicht im Interesse der Kinder gehandelt haben und einem nicht oft mit Respekt begegnet sind. Die Situation hat sich zum Glück sehr stark zum positiven geändert, als die neunen Schwestern kamen, die sehr herzlich sind, viel Engagement zeigen und denen die Kinder wirklich wichtig sind.

Zudem war es oftmals nicht einfach mit gewissen Schicksalen umzugehen, insbesondere als neue Kinder ins Heim gekommen sind, die sehr verstört und schwer zugänglich waren. Leider gibt es viel zu wenig Angestellte für all die Schicksale. Die Hausmütter sind zum Teil überfordert. Dadurch, dass sich nicht gescheit um jedes Kind gekümmert werden kann, kommt es immer wieder vor, dass Einige aus dem Heim flüchten und beispielsweise ihre Verwandten suchen. Meiner Meinung nach, ist das Hauptproblem die fehlende Struktur und dass zu wenig Angestellte beschäftigt werden. Alles läuft sehr chaotisch und unorganisiert ab. Wenn beispielsweise eine Hausmutter ihren freien Tag hat, wird sich nicht angemessen um Ersatz gekümmert, wodurch die Kinder oft auf sich allein gestellt sind.

Aber natürlich gibt es nicht nur negative Aspekte. Die Arbeit mit Hausmüttern war sehr angenehm. Wir haben uns alle wundervoll verstanden und eng zusammen gearbeitet. Vor Allem in der Vor- und Nachweihnachtszeit fanden viele Ausflüge mit den Kindern statt,was den Kindern unglaublich viel Freude bereitet hat. Abgesehen von den organisatorischen Problemen, kann ich von der Arbeit mit den Kindern nur Gutes berichten. Es war eine wundervolle Zeit, die meisten waren sehr aufgeschlossen und trotz ihrer schlimmen Vergangenheit aufgeweckt und munter. Alle sind mir sehr ans Herz gewachsen und wenn ich an den Abschied denke, tut es immer noch sehr sehr weh. Aber ich weiß, dass ich wieder kommen werde und ich hoffe, dass sich bis dahin alles so wundervoll weiterentwickelt, wie in den letzten 2 Monaten.

 

Carolin 2012

Eindrücke von Fabian

Meine Arbeit als Volontaria im "Esperanza"

In einem Schreiben vor 6 Monaten an die Schwestern des Esperanza, in dem ich meine Motive und die Ziele einer Arbeit als Volontaria erklaerte, hieß es:

"....wir wollen zunaechst anderen Menschen helfen, die nicht das Glueck haben, in so guten Verhaeltnissen wie wir hier in Deutschland zu leben. Mit den

Kindern und Jugendlichen, die wie in Bolivien haeufig in aermlichen Verhaeltnissen aufwachsen, wuerden wir intensiv versuchen (...) ein gutes Verhaeltnis

aufzubauen und dazu beitragen ihren Alltag schoener und sorgenfreier zu gestalten. (...) wir freuen uns schon auf viele Abwechslungsreiche Tage mit ihnen."

(Motivationschrreiben Kathrin Hock, Philipp Herzog)

 

Nun am Ende meiner Zeit hier in meinem neuen zweiten Zuhause angekommen, kann ich nach einem Rueckblick auf die letzten Monate voller Freude und Stolz

behaupten, dass ich wohl fuer mich alle diese Ziele unter anderem auch mit Hilfe der weitern Volontarios aber vor allem auch mit der der Kinder - erreicht

habe.

 

Bei unsere Ankunft im August letzten Jahres wurden wir mit offenen Armen von Hermana, den "alten" Volontarios, den Damen der Organisation und vor allem der

Kinder empfangen, und schon ab diesem Augenblick - durch die Offenheit, Zutraulichkeit und liebevolle Begruessung der Kinder wurde das Samenkorn eines guten

Verhaeltnisses zu den Menschen dieses Ortes gepflanzt.

 

Das Esperanza ist in meinen Augen ein kleines, nicht perfektes aber dennoch hoffnungsvolles Paradies, das die Kinder vor einem Alltag im Gefaengnis bewahrt,

das ihnen die Moeglichkeit einer schulischen sowie auch moralischen Bildung gibt, ihnen einen Ort zum essen, schlafen, spielen, lernen und gluecklich sein

gewaehrleistet. Vergleicht man die Verhaeltnisse des Heimes mit denen, in der eine Familie der Unterschicht lebt - und zu dieser zaehlen wohl die Meisten,

die in Palmasola ihre Strafe absitzen muessen - und betrachtet man die vielen heimatlosen und bettelnden Kinder der Strassen von Santa Cruz, die keine Schule

besuchen koennen, keine saubere Kleidung haben, viel zu wenig zu essen etc., koennte man fast sagen, dass die Kinder Glueck im Unglueck haben, dass es sie

hier in das Esperanza verschlagen hat.

 

Die Volotarios aus Italien, Spanien und Deutschland tragen in diesem Falle sehr viel dazu bei, dass das Heim zu einem Ort der Freude und des Wohlfuehlens

wird, eben zu einem Zuhause. Ich hab in einigen von ihnen sehr gute Freunde, wenn nicht sogar Freunde fuers Leben gefunden, mit einigen von ihnen gelacht und

geweint, hart gearbeitet, mich aber auch koestlich amuesiert. Auch mit den Schwestern, vor allem mit Hermana, konnte ich ein gutes Verhaeltniss aufbauen, das

zu einer sehr angenehmen Basis meiner Arbeit wurde. Sie hatte immer ein offenes Ohr fuer uns und unsere Probleme, war fuer unsere Vorschläge stets offen und

ließ uns große Freiräume in der Gestaltung unserer Arbeit. Leider kann ich das nicht von allen Schwestern behaupten, so kennt beispielsweise Maxima nach 6

Monaten immer noch nicht meinen Namen und spricht mich wenn dann mit "Niña" an! Auch musste ich feststellen, dass zwischen den meisten Schwestern und den

Kindern nicht gerade ein sehr inniges Verhältnis besteht. Das liegt meiner Meinung nach daran, dass die Schwestern viel zu wenig oder fast gar nicht an

Veranstaltungen, die im Zusammenhang mit den Kinder stattfinden, teilnehmen, was zwar eventuell mit ihrem Alter zusammenhängen könnte, nichtsdestotrotz aber

einfach grundlegend und sehr wichtig wäre. Ich kann hierbei nur anmerken, dass beispielsweise bei Ausfluegen in das Playland oder Veranstaltungen in anderen

Heimen, die fuer alle Hogare in der Umgebung geplant waren, ich immer Frauen oder Männer in der Funktion von Ordensschwestern oder -brüder gesehen habe, nur

leider waren es sehr selten unsere.

 

Doch nun nach diesem kleinen allgemeinen Überblick zu meiner Arbeit.
 
Im ersten Teil meiner Zeit sah mein Tagesablauf im folgenden so aus, dass ich mich am Morgen mit den Niditos, den Mädchen und Jungs im Alter von 2-4 Jahren

beschäftigte, am Nachmittag dann die Kinder der Segundo Basico (etwa 7-9 Jahre) bei ihren "tareas escolares" (Schul- und Hausaufgaben) betreute und

anschließend den Tag mit Handarbeiten , den "Manualidades", oder Tanzen mit den Mädchen ausklingen lies.

 

Meine Arbeit am Morgen mit den Niditos teilte ich mir hierbei mit Elena, später dann mit Kati. Zusammen spielten wir hauptsächlich mit den Kleinen in dem

eingezäunten Parque pequeño (kleiner Park), dort konnten sie sich im Freien im Sandkasten, auf den Schaukeln oder den Rutschen austoben. Viel Zeit

verbrachten wir auch in einem der Salons, um dort mit Bauklötzen und Spielzeugautos zu spielen, zu malen oder Geschichten vorzulesen. Bei den Kleinen war es

vor allem wichtig, ihnen das Teilen der Spielsachen mit den anderen Kindern beizubringen, sowie Namen, Farben und Formen von Dingen, Tieren und Körperteilen

zu lernen und richtig auszusprechen. Diese Arbeit war zum einen sehr schön und angenehm, da sie mit viel Schmusen, Spass und Spiel verbunden war und auch für

mich einen gewissen Lernerfolg in Sachen Spanisch brachte, zum anderen konnte sie aber auch sehr anstrengend sein, da die Kleinen einen immer auf Trab

halten, sich oft untereinander in die Haare bekommen oder einen als Autoritätsperson einfach noch nicht wirklich akzeptieren. Was ich aber niemals vergessen

werde, ist die Geborgenheit und Liebe, die sie mir durch ihre Nähe, ihr Lächeln und ihre Streicheleinheiten vermittelt haben. Es ist einfach unglaublich, wie

viel diese kleinen Gestalten einem geben können, was ihre leuchtenden Augen und ihr Sonnenscheingemüt bei einem selbst bewirken, ich hätte dies niemals für

möglich gehalten?

 

Meine persönliche Herausforderung in diesem halben Jahr aber war die Betreuung der Segundos, Mädchen und Jungen im Alter von ca. 7-9 Jahren. Nicht nur, dass

sie - vor mir- keine wirkliche Aufsichtsperson hatten, die sie ab und zu mal in ihre Schranken wies oder die sie mehr oder weniger als Autoritätsperson

dulden mussten, auch die Sprache machte mir hier einige Schwierigkeiten, sowie die Lustlosigkeit, mangelnde Geduld und Durchhaltevermögen der Kinder. Und vor

allem das Unwissen um die Notwendigkeit einer schulischen Ausbildung. Mit dieser Gruppe versuchte ich also Mathehausaufgaben und Erdkunde, Sprache und

Religion zu bewältigen. Auch wenn mir diese Nachmittage sehr viele Kopf- und Bauchschmerzen, Verzweiflung und auch Wut bescherten, bin ich jetzt im

Nachhinein sehr froh, diese Aufgabe bewältigt zu haben, denn mit zeitweiser Hilfe von Mareike, Diego oder freiwilligen Helfern von Santa Cruz konnte ich am

Ende des Schuljahres die Früchte meiner Arbeit ernten:

 

Durchgehend alle meine Schüler hatten sich in dem dritten Trimester, also in der Zeit von August bis Ende des Schuljahres, in der ich die

Hausaufgabenbetreuung übernommen hatte, in so gut wie jedem Fach oft um mehr als ein oder zwei Bewertungsstufen verbessert !! Das hatte mich bei der Übergabe

der Zeugnisse riesig gefreut, denn da hatte ich das Ergebnis meiner Bemühungen schwarz auf weiss auf dem Papier.

 

Mit dem Beginn der Ferien änderte sich schließlich dann mein Arbeitsplan wie der aller anderen Volontarios auch und wir verbrachten die Tage mit Spielen,

Ausflügen und sonstigen Aktivitäten im Freien wie auch innerhalb der Lokalitäten des Esperanza. Dazu gehörten zum Beispiel Dinge wie Fussball, Volleyball

oder Basketball spielen, Geschichten vorlesen und von CD's anhören, Paseos im Barrio (Spaziergänge im Viertel), Armbändchen knüpfen, Plätzchen backen, kochen

im Allgemeinen und natürlich nicht zu vergessen die zahlreichen Ausflüge die wir, Philipp und ich, mit Hilfe unseres Spendengeldes organisieren konnten.

 

Was mir außerdem in diesem halben Jahr noch sehr gut gefallen und zudem nicht nur den Mädchen, sondern auch mir sehr gut getan hatte, waren die gemeinsamen

Stunden, in denen ich mit den Chicas Tänze einstudiert habe, oder wir einfach so zu Musik getanzt oder Gymnastikübungen gemacht haben. So konnten wir auf dem

Fest des Hogares Don Bosco bei einem Tanzwettbewerb unseren größten Erfolg verzeichnen, als wir unseren gemeinsam einstudierten Hip-Hop / Modern-Dance vor

einem riesengroßen Publikum vorführten und mit Abstand den meisten Applaus erhielten. Dies war für die Mädchen und für mich ein ganz besonderer und wichtiger

Tag. Denn ich konnte mitverfolgen, wie aus den anfangs schüchternen und unsicheren Mädchen am Ende selbstbewusste und von ihrem Können überzeugte Tänzerinnen

wurden und die Chicas erkannten, dass sie etwas Besonderes sind und etwas Besonderes können, und dass sie sich und ihre Talente nicht verstecken müssen. Ihre

glücklichen und stolzen Gesichter werde ich als Erinnerung und Ansporn für mein eigenes Leben immer in meinem Herzen tragen.

 

Ich hab - nun mehr oder weniger am Ende meines Berichtes angekommen - das Gefühl, dass ich so ziemlich die Hälfte der Dinge nicht erwähnt habe, die ich für

unbedingt erwähnenswert und wichtig halte und ich könnte noch ewig so weiter schreiben, über meine Gefühle, meine Arbeit mit den Kleinen und Großen, die

Kinder, meine Erfahrungen, das Leben hier, Veränderungen, Wünsche, Hoffnungen - einfach alles! Ich denke schon alleine dies zeigt, in welcher Dimension mich

mein Aufenthalt hier im Esperanza geprägt hat.

 

Natürlich war nicht nur immer Sonnenschein angesagt, neben der Freude und dem Spass, die mir die Arbeit mit den Kindern bereitet hat, gab es auch sehr

schwierige, anstrengende oder traurige Zeiten. Oft hatte ich zum Beispiel das Gefühl, dass die Kinder die Arbeit von uns Volontarios überhaupt nicht zu

schätzen wissen; anstatt sich über die Dinge, die wir für sie gekauft oder organisiert hatten, zu freuen, bekamen wir am Ende nur jedes Mal die gleiche

Phrase zu hören: "Bah, quiero mas.." (Bah, ich will mehr). Und dann wird man eben noch mit dieser großen, großen Armut der Kinder, aber auch ihrer Eltern

konfrontiert. Auch wenn die Kleinen hier bei uns im Heim sind, und es ihnen einigermaßen gut geht, im Hinterkopf trägt man eben doch ständig mit sich herum,

dass sie von ihren Eltern getrennt leben müssen und sie deshalb auch oft sehr traurig sind.

 

Für mich steht auf jeden Fall fest, der Abschnitt "Esperanza" bekommt einen ganz besonderen Platz in meinem "Lebensalbum", die Eindrücke, die ich hier

sammeln konnte, haben sich tief bei mir eingeprägt und ich hoffe, dass auch ich den Kindern so viel geben konnte, wie sie mir in diesen 6 Monaten mit auf den

Weg gegeben haben und wir uns nicht nur durch die Spendenanschaffungen im Heim, sondern auch durch unsere Beziehung zu den Kleinen in ihren großen Herzen

verewigt haben!

 

Kathrin Hock, Esperanza
August 2005 - Februar 2006

Helfen in Bolivien, aus dem Leben zweier Freiwilliger

Ein großes „Bienvenidos!“- Schild am Eingang des Workcamps in Santa Cruz, Bolivien, begrüßte uns, Kathrin Hock und Philipp Herzog, als wir noch etwas unsicher und mit mangelnden Spanischkenntnissen zum ersten Mal das Kinderheim betraten, dass jetzt bereits seit beinahe 4 Monaten unsere neue Heimat darstellt. Nach Abschluss unseres Abiturs im Mai diesen Jahres entschlossen wir uns, ins ferne Südamerika zu reisen, um im ärmsten Land dieses Kontinents in einem Kinderheim zu arbeiten. Und dank eines Artikels in der Main Post / Main Echo im Juli hatten und haben wir zahlreiche Spenden im Gepäck. Dort angekommen also, kam uns ein Teil der 150 Heimkinder mit offenen Armen entgegen und es dauerte nicht lange, bis wir sie in unser Herz schlossen und sie auch hoffentlich uns in das ihrige.

 

Während unseres bisherigen Aufenthaltes hier haben sich unsere Spanischkenntnisse mittlerweile sehr verbessert und wir konnten uns gut in das von Schwestern geleitete Heim einleben und integrieren. Insgesamt sind wir 11 „Voluntarios“(Freiwillige) aus Deutschland, Italien und Spanien, die versuchen, mit sehr viel Liebe, Aufmerksamkeit, Einfallsreichtum und vor allem mit ganz viel Geduld den Kindern so gut wie es geht ihre Eltern zu ersetzen. Wir leben zusammen mit Kindern von 0 bis 15 Jahren, deren Eltern im Gefängnis von Santa Cruz ihre Strafe für ihre Taten absitzen, die von Kleindelikten bis Mord reichen. „Palmasola“, so der Name des Gefängnisses, stellt einen völligen Gegensatz zu deutschen Gefängnissen dar, denn es ist ein von Mauern umgebenes Dorf, mit von den Gefangenen geleiteten Geschäften und Restaurants. Auch dürfen Familienmitglieder der Verurteilten grundsätzlich mit im Gefängnisdorf leben, wobei Kinder natürlich in einem Heim besser aufgehoben sind. Denn hier erhalten sie ausreichend Essen, eine angemessene Schulausbildung, lernen Freunde ihres Alters kennen und werden von dem harten Alltag in dem Gefängnis ferngehalten. Zwischen unserem Heim und dem Gefängnis besteht eine dauerhafte Verbindung, so gibt es Besuchertage an denen die Kinder ihre Eltern besuchen können, eine Vertreterin des Heims hält regelmäßig Treffen mit den Eltern dort ab, um Zeichnungen oder Briefe der Kinder zu übergeben und auch wir Voluntarios nehmen an solchen Treffen teil. Auch traurige Erlebnisse verbinden wir mit dem Gefängnis, denn im Oktober diesen Jahres sind 27 Häftlinge aus Palmasola ausgebrochen, zwei wurden bei ihrer Flucht erschossen, darunter auch der Vater von vier Kindern unseres Heims, der wegen Mordes seine Strafe absaß. Um die Kinder von einer solchen Realität abzulenken und ihren Alltag möglichst abwechslungsreich zu gestalten versuchen wir immer wieder besondere Aktivitäten zu organisieren, was vor allem durch die Hilfe der zahlreichen Spenden aus Marktheidenfeld und Umgebung möglich wird. So konnten wir beispielsweise in den vergangenen drei Monaten einen Zooausflug mit den Kindern im Alter von zwei bis drei Jahren organisieren, Schwimmbadbesuche mit den etwas älteren Niños, Grillfeste mit Hüpfburg, ein Pizza- und ein Pastaessen, Wochenend-Disko und Picknickausflüge. Ganz davon abgesehen wie glücklich man die Kinder durch solche Abwechslungen von dem doch recht monotonem und tristen Dasein im Heim machen kann, lernen sie dabei ihre Umgebung kennen, Landschaft und Menschen, kurz das Leben außerhalb des Heims. Einige der Kinder haben bei diesen Ausflügen das Dorf zum ersten Mal überhaupt verlassen. Daneben verbringen wir die Morgende mit den kleineren Kindern, spielen mit ihnen, basteln oder malen mit ihnen. Die Größeren, die morgens im Heim oder in einer Schule in der Nähe Unterricht haben, erhalten Nachhilfe von uns, spielen mit uns Basketball, machen mit uns am Nachmittag ihre Hausaufgaben oder „Manualidades“ (Handarbeiten) wie z.B. Armbändchenknüpfen.

 
Natürlich entstehen in einem solch großem Heim ernorme Kosten durch die Anschaffungen von Bastelmaterialen und die Entstandhaltung des Hogars und so beschäftigen wir uns im Moment mit der Reparatur des Klettergerüstes auf dem Spielplatz, ebenso mit der der Moskitonetze an den Fenstern der Häuser, in denen die Kinder leben und unterstützen zudem die Schwestern beim Kauf von Bastelmaterialien.

 
Um die Reparaturen der sanitären Anlagen, sowie Einrichtungen im Allgemeinen kümmert sich unter anderem auch die Organisation „ASOMER“, eine Gruppe von reichen Damen hier in Santa Cruz, die auch wir bei ihren Bemühungen um das Heim zu unterstützen versuchen, da die anfallenden Kosten deren Budget übertreffen. Einige der Damen sind insoweit in das Heim involviert, dass sie regelmäßig Essen vorbeibringen und Tauf- und Kommunionpatinen einiger der Kinder geworden sind. Und auch wir beide sind bereits von „Voluntarios“ zu „Padrino“ und „Madrina“, zu Taufpate und Kommunionpatin, aufgestiegen und werden dadurch in Zukunft, auch nach unserer Rückkehr nach Deutschland im April des kommenden Jahres den Kontakt mit unserem Heim und unseren Patenkindern aufrecht erhalten.

 

Kathrin Hock und Philipp Herzog, 16.Nov.2005, Santa Cruz de la Sierra, Bolivien

Erfahrungsbericht zum Kinderheim in Santa Cruz

Das Kinderheim liegt relativ zentral in Santa Cruz und beherbergt etwa 30 Kinder zwischen fünf und 17 Jahren. Unter diesen Kindern gibt es viele Geschwisterkinder, zwei körperlich und drei geistig behinderte Kinder. Viele Kinder teilen ein gemeinsames Schicksal, sie wurden von den Eltern verstossen oder misshandelt. Dazu kommen noch 4 Kinder einer Mitarbeiterin sowie ein bis zwei Neffen einer anderen Mitarbeiterin. Die beiden Mitarbeiterinnen kommen jeden Tag in der Woche, eine auch am Wochenende. Ansonsten leben zwei Frauen, darunter die Leiterin, direkt im Heim. Es wird dringend Hilfe benötigt. Die Mitarbeiterinnen sind den ganzen Tag mit Kochen oder Waschen usw. beschäftigt und können sich kaum um die Kinder kümmern. Es mangelt also einfach an sensiblen Menschen, die Gefallen und Ausdauer im Umgang mit Kindern haben. Die Waisenhauskinder benötigen viel Zuwendung. Den Freiwilligen werden viele Möglichkeiten und Freiheiten gegeben. Über Spielmöglichkeiten, sportlichen Betätigungen und kreativen Aufgaben bis zur medizinischen oder psychologischen Betreuung. Hervorzuheben sind Verhaltensauffälligkeiten, viele Kinder können schlecht zuhören und vor allem nicht warten. Hier sind Geduld und vielleicht ein paar gute Ideen für die Betreuung wichtig. Dabei ist es für die Kinder bedeutsam, zu spüren, dass die Freiwilligen sie annehmen wie sie sind, dazu gehört auch das in den Arm nehmen oder Zuhören. Zu dem Aufgabenbereich der Freiwilligen gehört es, den Kinder Hygiene und Ernährung/Gesundheit zu vermitteln. Praktische Arbeiten wie dreimal tägliches Zähneputzen oder die Zubereitung von gesunder Ernährung sollen zur Gesundheitsvorsorge beitragen. Eine langfristige positive Veränderung kann nur erfolgen, wenn das Waisenheim kontinuierlich von Freiwilligen mit dieser Einstellung betreut wird. Insgesamt stellt der Freiwilligeneinsatz hohe Anforderungen, viele Dinge sind zu improvisieren, weil kein Budget zur Verfügung steht. Es steht weder Geld für Material noch für Aktionen zur Verfügung. Hinzu kommt noch, dass sich der Speiseplan schlecht verändern läßt, weil meistens nur Reis und Zucker als Grundnahrungsmittel zur Verfügung stehen. Um hierfür Abhilfe zu schaffen, planen Ehemalige einen Spenderkreis aufzubauen.

Unterbringung/Essen:

Für jeweils zwei Freiwillige ist Platz im Heim, wenn sie sich ein Zimmer teilen. Sie könnten im Heim dann mitessen. Hier ist allerdings anzumerken, dass das Essen nicht sehr ausgewogen ist. Für Vegetarier ist es schwierig alle Nährstoffe zu bekommen. Es wird aus Gastfreundschaft heraus für die Gäste gekocht, allerdings gibt es oft nur Reis, Kartoffeln, Bananen, Tomaten, Tofu oder ähnliches. Selbstständiges Kochen ist aber möglich. Obst ist recht preisgünstig.

Lebenshaltungskosten:

Wer im Heim wohnt und nicht ständig ausgeht, dem können, bei keinen hohen Erwartungen, 80 Euro im Monat ausreichen. Eine auswärtige Unterkunft ist möglich.

Klima:

Wenn in Deutschland Winter herrscht, ist es in Santa Cruz (Bolivien) heiss (35 Grad sind normal). Im Januar beginnt die Regenzeit. Im Mai/Juni ist es in Santa Cruz, mit ca. 8 Grad, am kältesten.

Freizeitmöglichkeiten:

Mit dem Bus ist man in einer halben stunde im Zentrum.
Spanische Sprachkenntnisse sind für die Aufgabenstellung unbedingt notwendig

Eine persönliche Bilanz

Mein Aufenthalt im Hogar hat mir sehr viele positive Erfahrungen gebracht. Ich durfte in jenem Heim für insgesamt 4 Monaten arbeiten. Die Zeit erlebte ich als überwiegend positiv und unvergesslich. Es muss aber auch gesagt werden, dass sich der Aufenthalt nicht nur aus positiven Erlebnissen zusammengesetzt hat. Zum Teil war die Arbeit im Heim ziemlich anstrengend. Vor allem in erster Zeit war es ziemlich schwer sich an die Kinder sowie deren „encargadas“ und „hermanas“ zu gewöhnen. Trotz mehr oder weniger gutem Beherrschen der Spanischen Sprache kam es öfters zu Missverständnissen. Meistens liessen sich diese aber beheben.  

 
In meinem  Erfahrungsbericht werde ich über folgende Punkte in folgender Reihenfolge Auskunft geben:

  • Das Heim im Allgemeinen
  • Die Arbeit
  • Positive Aspekte
  • Negative Aspekte

Allgemein zum Heim:

Im Hogar leben Kinder vom Säuglings- bis zum Jugendalter (Jungs bis ca. 10 Jahre; Mädchen bis ca. 15 Jahre).

 

Geleitet wird das Heim momentan von vier Ordensschwestern; wichtige Entscheidungen werden aber von den Frauen, die das Heim unterstützen, gefällt. Mit diesen Frauen hat man jeden Monat ein Zusammentreffen (réunion), wo man als Freiwillige aufgefordert ist, teilzunehmen. Als Freiwillige kriegt man dort die Chance Verbesserungsvorschläge mit einzubringen oder Probleme darzulegen. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass diese Gruppe von Frauen sehr hilfsbereit war und bei allfälligen Problemen den Freiwilligen eigentlich immer zur Seite stand.

 

Der Hogar ist aus verschiedenen, voneinander getrennten Häusern aufgebaut, die alle jedoch in einem von aussen umzäunten Grundstück liegen.
 

Als Freiwillige lebt man zwar im Heim, jedoch in einem „eigenen“ von den Kindern und Schwestern getrennten Häuschen. Dabei wird von den Schwestern sehr viel Wert auf die Privatsphäre von uns Freiwilligen gelegt; den Kindern ist es also verboten sich unserm Haus zu nähern oder gar einzutreten. Auch die hermanas selbst respektieren normalerweise unsere Privatsphäre.
 

Das Freiwilligenhaus ist zusammengesetzt aus 3 Schlafzimmern, 1 Gästezimmer, Bad mit 3 Toiletten sowie 3 Duschen und einem Aufenthaltsraum mit 2 Kochplatten. Die Toiletten sowie das Bad sind für bolivianische Verhältnisse in relativ sehr guten Zustand. Die Funktion des Gästezimmers war komischerweise eine Zeitlang nicht geklärt. Es wurde nämlich von der Hermana höchstpersönlich zugesperrt. Diese Probleme mit der Hermana liessen sich dann aber auch beheben und die früher gedachte Funktion des Gästezimmers kam zurück.

Wer möchte kann die Mahlzeiten zusammen mit den Kindern und deren Encargadas einnehmen. Das  Essen der Kinder ist oder war jedoch ziemlich einseitig, daher habe ich immer für mich selber gekocht. Dies stellte jedoch kein grösseres Problem dar, da die Nahrungsmittel in Bolivien sehr billig sind und mein Budget dies ohne weiteres verkraften konnte. Ich möchte auch erwähnen, dass zum Beispiel auch die Hermanas nicht mit den Kindern zusammen speisen. Die Mahlzeiten scheinen selbst ihnen ein bisschen zu unausgewogen zu sein!!! Nach dem Essen dürfen die Kinder dann auch das Geschirr der hermanas, deren Inhalt um einiges reicher als der ihrer war, abspülen.

 

Das Heim als Ganzes sieht auf den ersten Eindruck sehr vollkommen aus und erweckt den Eindruck, dass es gar keine Hilfe benötigt. Leider täuscht der erste Eindruck. Das Heim ist zwar äusserlich in einem sehr guten Zustand, ist ungemein sauber und ist auch sehr gross, es fehlt aber an Einigem und Hilfe ist überhaupt nicht fehl am Platz.
 

Höchste Priorität liegt bei den Schwestern meiner Meinung nach in der Sauberkeit und leider nicht in der richtigen und vollkommenen Ernährung der Kinder.

 

Die Arbeit:

Den Einstieg in das Heimleben wurde mir sehr leicht gemacht.
Obwohl ich ziemlich unerwartet in Santa Cruz angekommen bin, wurde ich von Beate auf eine extrem offene und herzliche Art und Weise empfangen und ihm Heim vorgestellt. Sie hat mir bei allfälligen Problemen auch ihre volle Unterstützung angeboten. Glücklicherweise musste ich davon nie Gebrauch nehmen, obwohl ich davon überzeugt bin, dass sie das Möglichste getan hätte um mir Beiseite zu stehen.

 
Von den Freiwilligen wurde ich dann auch sofort in die Arbeit integriert. Ich war überhaupt nicht auf mich alleine gestellt; von allen Seiten wurden mir Hilfe und Unterstützung angeboten.

 
So konnte ich z. B vom ersten Tag an in den Arbeitsplan von Simone (Ergotherapeutin) mit einsteigen und konnte immense von ihren Erfahrungen profitieren.

 
Simone und ich haben uns morgens in den ersten beiden Stunden immer den 4 gleichen Kindern gewidmet. So konnten wir diese spezifisch fördern. Danach haben wir wie normal üblich klassenweise gearbeitet. Danach verliess Simone jedoch das Heim und ich habe selbst oder teils mit den anderen Freiwilligen gearbeitet.

 
Dabei muss ich leider sagen, dass eine Zeit lang, zu viele Freiwillige im Heim tätig waren. Dies erschwerte erstens ungemein die Planung der Arbeit und zweitens hat es mir ein bisschen an Ehrgeiz gestohlen. Ich glaube es wäre halb so schlimm gewesen, wenn diese nicht alle in derselben Zeit gekommen wären. Die Arbeit oder Zusammenarbeit wäre leichter gewesen, so vermute ich jedenfalls, wenn alle Freiwilligen aus der gleichen Organisation gekommen wären, oder diese verschiedenen Organisationen untereinander eine bessere Absprache gehabt hätten. So kam zum Beispiel eine spanische Psychologin, die von unserer Arbeit nicht viel gehalten hatte. Es kam wegen unterschiedlichen Abmachungen der verschiedenen Organisationen, unter uns Freiwilligen teils zu Missverständnissen.

Als Freiwillige kann man normalerweise seinen Arbeitsplan selber zusammenstellen und somit mit den von sich bevorzugten Altersklassen zusammenarbeiten. Natürlich muss dies unter Absprache und Berücksichtigung anderer Freiwilligen geschehen. Ein abwechslungsreicher Plan ist zu empfehlen.

 

Was die Arbeitszeiten anbelangt, geniesst man einen hohen Teil an Freizeit. Unter der Woche habe ich normalerweise von 09:00 – ca. 12:00 und nachmittags von 15:00 bis ca. 17. 00 / 30 gearbeitet. Das Wochenende hat man in der Regel meistens für sich. Ausnahmen bilden nur spezielle Ausflüge mit den Kindern. Zu meiner Zeit bekam man jedoch sowieso nur selten die Erlaubnis, mit den Kindern Ausflüge zu machen. Dies hat sich jedoch scheinbar zum positiven geändert.

 

Bis man das Vertrauen gewisser Kinder gewinnt, ist die Arbeit nicht immer einfach und auch danach muss man sich zum Teil damit abfinden, dass die Erziehung in Bolivien nicht die Gleiche wie bei uns ist. Die Kulturunterschiede kriegt man im Bereich Bildung und Erziehung immer wieder zu spüren. Auch vor den hermanas kriegt man diese Unterschiede sehr oft zu spüren und es erfordert eine Menge Ausdauerkraft, immer wieder für die Kinder vor den Schwestern Einzustehen.

 

Positive Aspekte:

  • Der Freiwilligeneinsatz gab mir die Möglichkeit zweimal das Innenleben des Gefängnisses zu kennen lernen. Dieser Besuch hat für mich einen sehr hohen Erfahrungswert
  • Kinderfreuden sind unbezahlbar
  • Liberaler Arbeitsplan
  • Gute Integrierung sowie Unterstützung vor Ort vorhanden
  • Teil Kennen lernen neuer Kultur. Am Weihnachtsabend wurde ich zum Beispiel zu der Familie einer Mitarbeiterin eingeladen. So durfte ich kennen lernen, was es heisst, bolivianisch Weihnachten zu feiern.

 Negative Aspekte:         

  • Die Erwartung in Santa Cruz in meinem Spanisch Fortschritte zu machen, wurde leider nicht erfüllt. Im Heim sprachen wir Freiwilligen immer Deutsch untereinander und die Stadt Santa Cruz ist voll von Austauschschülern oder anderen Freiwilligen.
  • Für mich spielt auch der Ort Santa Cruz zu meinen eher negativen Eindrücken mit. Die Stadt ist ziemlich europäisch orientiert ...
  • Quantität der Freiwilligen ≠ Qualität. Zuwenig erfahrene Freiwillige vorhanden.
  • Der Umgang mit den Ordensschwestern war trotz eigentlich hoher Toleranz ihrerseits, nicht immer einfach für mich. ... Ich muss aber auch zugeben, dass sie mir trotz Meinungsverschiedenheit, immer viel Respekt gegenüber gebracht haben.

Daniela Engler, 2004

Erfahren, was den Waisenkindern fehlt...

Das Kinderheim   befindet sich am Stadtrand von Santa Cruz. Das Heim wird von einer Oberschwester und 3 weiteren Schwestern geleitet. Zurzeit sind 150 Kinder hier, im Alter von 2 Monaten bis 15 Jahre. Einige Kinder sind Waisen, von den Meisten sind die Eltern aber im Gefängnis aufgrund von Drogenschmuggel. Das Kinderheim kooperiert mit dem Gefängnis, sodass die Kinder ihre Eltern besuchen können. Weihnachten haben die Kinder z.B. mit ihren Eltern im Gefängnis verbracht.

 
Das Heim besteht aus Schlafhäusern, Klassenräumen, einer Kapelle und einem Essenssaal. Es gibt ein Fußballfeld mit Toren und Basketballkörben, ein Klettergerüst, ein Spielplatz und es hängen überall Hängematten. Es gibt einen Zahnarzt; einen Arzt, der regelmäßig ins Heim kommt; eine Psychologin; Köchinnen; Waschfrauen und Hausmütter.
Für jedes Haus ist eine Hausmutter zuständig, die sich Tag und Nacht um ca. 15- 25 Kinder kümmern muss. Die Aufgabe von uns “Voluntarios” ist es, sich mit den Kindern zu beschäftigen und deren Freizeit zu gestalten. Um die Hausmütter so ein wenig zu entlasten.

Auf den ersten Blick macht das Kinderheim einen durchaus positiven Eindruck. Die Kinder haben ein Dach über dem Kopf, sie haben Kleidung zum Anziehen und etwas zu essen. Wenn man aber genauer hinschaut, fehlt es doch an einigen grundlegenden Dingen.
Es gibt jeden Tag das gleiche Mittagessen. Suppe, danach Fleisch und Reis. Manchmal gibt es Nudeln oder noch Salat, aber eher selten. Das heißt die Ernährung der Kinder ist nicht sehr ausgewogen. Es gibt zwar zwei Zwischenmahlzeiten pro Tag, wo meistens jeder eine Banane bekommt, weil Bananen am billigsten sind. Es gibt jedoch sonst kaum anderes Obst und kein Gemüse zu essen.

 
Dann gibt es zwar Kleidung, aber nicht genug, da die Kinder oft mehrmals am Tag die Kleidung wechseln müssen. Manche Schuhe fallen schon fast auseinander, T-Shirts sind zerlöchert oder die kleinen Kinder laufen mit viel zu großen Schuhen herum.
Außerdem dürfen die Kinder das Gelände nicht verlassen, außer um in die Schule zu gehen. Selbst die großen Mädchen dürfen in ihrer Freizeit nicht in die Stadt. Sie bekommen kaum etwas von der Außenwelt mit. Was ich sehr bedauerlich finde, denn wie sollen sie später in die Gesellschaft integriert werden...?

 

 
Aber wenigstes haben wir das Einverständnis der Schwestern für einige Ausflüge bekommen. Wir waren z.B. in einem anderen Heim für behinderte Menschen und im Zoo. Die Kinder waren so glücklich mal etwas Neues zu sehen! Sie blühten regelrecht auf.

Die Freiwilligen haben die Möglichkeit im Heim zu wohnen und auch mitzuessen. Wobei das Essen für Vegetarier nicht besonders nährstoffreich ist. Die Bolivianer essen sehr viel Fleisch.

 
Ich bin froh, dass ich nicht im Heim gewohnt habe. Dadurch hatte ich Abstand zur Arbeit und zu den anderen Freiwilligen. Der einzige Nachteil war, dass man von irgendwelchen Treffen oder Veranstaltungen immer als letztes erfahren hat, wenn überhaupt…

 

Mein Arbeitsplan sieht so aus:

 
Morgens um 9.00 Uhr helfe ich bei den Zweijährigen ( Bebés ) beim Wickeln und Anziehen und beschäftige mich mit ihnen. Mittags helfe ich noch beim Füttern.

Gegen 10.30 spiele ich mit den 3-5 Jährigen ( Niditos ) Bauklötze, legen Puzzle, wir malen etwas oder gehen auf den Spielplatz.

 

Vor und nach den Ferien habe ich am Nachmittag mit einem Zivi die Erstklässler ( Primeros ) unterrichtet. Mit denen haben wir spielerisch Schreiben, Lesen und Rechnen geübt. Das hat sehr viel Spaß gemacht! Das war ungefähr wie Grundschulunterricht.
In den Ferien haben wir viel gebastelt mit verschiedensten Materialien, haben Freundschaftsbänder geknüpft und Gesellschaftsspiele gespielt.

Abends wird mit den Kindern die Lust haben, Fußball, Basketball, Frisbee gespielt oder es werden andere sportliche Aktivitäten gemacht. So gegen 18.00 Uhr ist Feierabend.

Am Anfang war es schwierig sich zurechtzufinden. Ich wurde zwar anfangs kurz von den Zivis eingeführt, musste aber schnell selbstständig arbeiten. Neue Ideen für das Wohlbefinden der Kinder oder neue Aktivitäten sind immer willkommen. Es ist viel Eigeninitiative gefragt.
Obwohl man eigentlich nicht so viel gearbeitet hat, waren wir am Abend immer kaputt und müde. Das liegt wohl an der schwülen Hitze die in Santa Cruz herrscht. Wenn bei uns Winter ist, haben wir dort Sommer, 30°C - 35°C.

 

Die Kinder waren total offen und haben mich ausgefragt. Zuerst gab es Verständigungsschwierigkeiten, ich hatte zwar Spanischunterricht in der Schule, da hat man jedoch nicht sprechen gelernt. Aber die Kinder haben mir das nicht übel genommen. Spanischvorkenntnisse sind natürlich von Vorteil.
Die Kinder sind sehr ungeduldig und können sich schlecht konzentrieren. Sie fühlen sich schnell überfordert und geben viel zu früh auf, sie unterschätzen ihre Fähigkeiten. Man merkt, dass den Kindern Liebe, Vertrauen, Zuneigung und Aufmerksamkeit fehlt. Da einige Hausmütter mit gewaltsamen Methoden versuchen die Kinder unter Kontrolle zu halten, sind die Kinder sehr abgestumpft. So haben sie kaum Respekt, wenn man ihnen einfach nur etwas sagt. Fast alle Kinder haben psychische Probleme oder sind verhaltensgestört.
Da in den Gruppen immer 15-20 Kinder sind, kann man sich einfach nicht mit allen gleichzeitig beschäftigen. Leider gibt es nicht genügend Räumlichkeiten um gezielt und effektiver in kleineren Gruppen zu arbeiten.

 
In einer so großen Gruppe herrscht natürlich Unruhe und man merkt eine gewisse Unmotiviertheit bei einigen Kindern. Das ist für uns Freiwilligen nicht einfach, es ist stressig und manchmal auch frustrierend. Z.B. wenn man die Stunde mit viel Mühe vorbereitet hat und die Kinder aber nur Blödsinn machen… Da die Kinder uns eher als Kameraden ansehen und nicht als Autoritätsperson, gibt es öfters mal Schwierigkeiten. Sie testen aus, wie weit sie gehen können. Deshalb muss man hart und konsequent durchgreifen, jedoch auf gar keinen Fall mit Gewalt handeln.

 

Es kommen aber auch immer wieder Erfolgserlebnisse, man sieht, dass die Kinder etwas von einem gelernt haben. Im Laufe der Zeit machen die Kinder Fortschritte und es kommen Fähigkeiten zum Vorschein, die man vielleicht nicht vermutet hätte. Besonders bei den Dreijährigen sieht man deutlich die Fortschritte. Zuerst musste man ständig beim Puzzeln helfen und dann können sie es auf einmal schon alleine.

 

Mir hat die Arbeit viel Spaß gemacht, auch wenn es nicht immer einfach war, habe ich die Kinder auf jeden Fall lieb gewonnen!

 
Der Auslandsaufenthalt war eine schöne Erfahrung. Ich habe vor allem gelernt auch in schwierigen Zeiten durchzuhalten und nicht aufzugeben.

Dadurch, dass ich in einer bolivianischen Familie gelebt habe, konnte ich das Familienleben, die andere Mentalität und Kultur gut kennen lernen. Außerdem habe ich in der Familie sehr schnell Spanisch gelernt. Im Heim haben wir leider fast nur Deutsch gesprochen, da nur deutsche Freiwillige im Heim gearbeitet haben.

 
Der Sozialeinsatz hat mir gezeigt, dass ich in Zukunft gerne im sozialen Bereich tätig sein möchte. Ich könnte mir auch vorstellen im Entwicklungsdienst zu arbeiten. Der Einsatz hat außerdem mein Interesse an Südamerika geweckt.

 

Claudia Halbe,  2005

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